Pflegegrad 2: Voraussetzungen, Leistungen & Antrag
Pflegegrad 2 bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Erfahren Sie, welche Voraussetzungen für Pflegegrad 2 gelten, welche Leistungen Ihnen zustehen und wie Sie den Antrag richtig stellen.
Pflegegrad 2 einfach erklärt
Pflegegrad 2 markiert einen wichtigen Wendepunkt in der pflegerischen Versorgung: Er steht für eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, die nicht nur das Leben der Betroffenen verändert, sondern auch neue Wege der Unterstützung eröffnet. Doch was genau bedeutet das? Wie wird Pflegegrad 2 eingeordnet, und worin unterscheidet er sich von anderen Pflegegraden? Dieser Beitrag liefert Ihnen eine umfassende und praxisnahe Einordnung.
Pflegegrad 2: Definition laut SGB XI
Laut § 15 SGB XI liegt Pflegegrad 2 vor, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten festgestellt wird. Die Einschätzung erfolgt nicht mehr – wie früher bei den Pflegestufen – nach Zeitaufwand, sondern nach dem Grad der Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen. Die Einstufung basiert auf einem Punktesystem (0–100 Punkte) im sogenannten Neuen Begutachtungsassessment (NBA).
Pflegegrad 2 wird zuerkannt, wenn im Pflegegutachten ein Gesamtwert von 27 bis unter 47,5 Punkten erreicht wird.
Pflegegrad 2 bedeutet, dass ein Mensch im Alltag nicht mehr voll selbstständig handeln kann – sei es beim Anziehen, der Medikamenteneinnahme oder der Alltagsorganisation – aber dennoch nicht schwerstpflegebedürftig ist.
Bedeutung und Leistungen im Pflegesystem
Pflegegrad 2 ist oft der erste Pflegegrad mit spürbarem Leistungsanspruch. Während bei Pflegegrad 1 vorrangig präventive Maßnahmen greifen, erhalten Menschen mit Pflegegrad 2 erstmals:
- Pflegegeld
- Pflegesachleistungen
- Zuschüsse für Kurzzeit- und Verhinderungspflege
- Wohnraumanpassungen
- Pflegehilfsmittel und Hausnotrufsysteme
- Pflegeberatung und Schulungen für Angehörige
Abgrenzung zu Pflegegrad 1 und 3
Die Übergänge zwischen den Pflegegraden sind fließend – doch die Unterschiede sind entscheidend für den Leistungsanspruch.
Pflegegrad | Punkte (NBA) | Beschreibung | Leistungen |
---|---|---|---|
PG 1 | 12,5–<27 | Geringe Beeinträchtigung | Entlastungsbetrag, Beratung, Hilfsmittel |
PG 2 | 27–<47,5 | Erhebliche Beeinträchtigung | Pflegegeld, Sachleistungen, Wohnraumanpassung u.v.m. |
PG 3 | 47,5–<70 | Schwere Beeinträchtigung | Erhöhte Geld- und Sachleistungen, mehr Unterstützung im Alltag |
Einordnung im Pflegesystem: Mehr als eine Punktzahl
Pflegegrad 2 ist mehr als eine formale Zahl – er ist der Zugang zu einem individuell abgestimmten Unterstützungsnetzwerk. Er zeigt, dass ein Mensch zwar nicht vollständig hilflos ist, aber regelmäßige Hilfe und Betreuung im Alltag braucht. Gerade für pflegende Angehörige ist diese Einstufung oft der Startpunkt einer neuen Lebensrealität: emotional, organisatorisch und finanziell.
Zudem ist Pflegegrad 2 oft die Voraussetzung für kombinierte Leistungen wie ambulante Pflege + Pflegegeld, was flexible Modelle ermöglicht – besonders in familiären Pflegesituationen.
Voraussetzungen für Pflegegrad 2 – Wer hat Anspruch?
Um einen Pflegegrad 2 zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Wer hat Anspruch auf Pflegegrad 2?
Pflegegrad 2 wird vergeben, wenn eine Person in ihrer Selbstständigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Entscheidend ist dabei nicht mehr – wie früher – die tägliche Pflegeminutenzahl, sondern eine umfassende Bewertung körperlicher, kognitiver und psychischer Fähigkeiten.
Die Voraussetzung für Pflegegrad 2 ist eine Gesamtpunktzahl zwischen 27 und unter 47,5 Punkten im offiziellen Pflegegutachten nach dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA).
Diese Punktezahl ergibt sich aus der Bewertung von sechs Lebensbereichen („Modulen“), die jeweils unterschiedlich stark gewichtet werden. Das Ziel: ein realitätsnahes Bild des Pflegebedarfs – unabhängig davon, ob es sich um körperliche oder geistige Einschränkungen handelt.
Die sechs Begutachtungsbereiche im Überblick
Die Begutachtung erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) bzw. Medicproof (bei Privatversicherten). Grundlage sind sechs Module, in denen jeweils konkrete Fähigkeiten beurteilt werden:
- Mobilität (10 % Gewichtung): Wie sicher und selbstständig kann sich die Person bewegen? Geht es allein Treppen hoch, steht ohne Hilfe auf oder bleibt stabil im Stand?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15 %): Orientiert sich die Person zeitlich und räumlich? Erkennt sie Risiken? Kann sie Bedürfnisse äußern oder Gespräche führen?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 %): Gibt es herausforderndes Verhalten wie Aggressionen, nächtliche Unruhe oder Antriebslosigkeit? Liegt eine Demenz oder Depression vor?
- Selbstversorgung (40 %): Kann sich die Person selbst waschen, ankleiden, essen oder auf die Toilette gehen?
- Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen (20 %): Wird Unterstützung bei Medikamenteneinnahme, Wundversorgung, Inkontinenz oder Arztbesuchen benötigt?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (10 %): Plant und strukturiert die Person den Alltag selbst? Pflegt sie soziale Kontakte? Beschäftigt sie sich selbständig?
Für jedes Modul werden feste Kriterien einzeln bewertet. Die Punktzahlen fließen gewichtet in das Endergebnis ein. Pflegegrad 2 wird vergeben, wenn mindestens 27 Punkte, aber weniger als 47,5 Punkte erreicht werden.
Beispielhafte Bewertung: So kommt Pflegegrad 2 zustande
Frau Meier, 76 Jahre, leidet an Arthrose, Bluthochdruck und beginnender Demenz. Sie wohnt allein, ihr Sohn unterstützt sie bei Einkäufen und Medikamenteneinnahme. Im Pflegegutachten zeigt sich:
- Mobilität: leichte Einschränkungen beim Treppensteigen → 5 Punkte
- Kognition: zeitweise Desorientierung → 6 Punkte
- Verhaltensweisen: gelegentliche nächtliche Unruhe → 4 Punkte
- Selbstversorgung: Hilfestellung beim Duschen & Ankleiden → 10 Punkte
- Therapiebedingte Anforderungen: tägliche Medikamentenüberwachung → 7 Punkte
- Alltagsgestaltung: braucht Anleitung für Tagesstruktur → 3 Punkte
Gesamt: 33,5 gewichtete Punkte → Pflegegrad 2 wird anerkannt.
Antrag richtig vorbereiten: Ihre To-dos vor dem Gutachten
Viele Ablehnungen basieren nicht auf fehlendem Pflegebedarf, sondern auf fehlender Dokumentation und Vorbereitung. Mit diesen Maßnahmen erhöhen Sie die Chancen auf einen fairen Pflegegrad:
- Pflegetagebuch führen: Notieren Sie über mindestens 1–2 Wochen, bei welchen alltäglichen Aufgaben Unterstützung nötig ist. Das ist eine wertvolle Gedächtnisstütze – und häufig entscheidend im Gespräch mit dem Gutachter.
- Antrag frühzeitig stellen: Der Pflegegrad wird ab dem Monat gezahlt, in dem der Antrag eingegangen ist – nicht rückwirkend!
Häufige Sonderfälle bei Pflegegrad 2
Pflegegrad 2 trotz geringer Pflegezeit?
Ja. Entscheidend ist nicht, wie oft oder wie lange Sie jemand pflegt, sondern wie stark Ihre Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Auch Menschen mit wenigen Pflegezeiten, aber z. B. kognitiven Einschränkungen, können Anspruch haben.
Kombination körperlicher & psychischer Faktoren
Pflegegrad 2 kann auch aus einer Mischung körperlicher Einschränkungen und kognitiver Störungen resultieren – z. B. bei Parkinson und beginnender Demenz.
Nach einem Krankenhausaufenthalt?
Oft zeigen sich nach einer Operation oder einem Unfall neue Einschränkungen. In diesem Fall ist ein Antrag auf Pflegegrad direkt nach Entlassung empfehlenswert.
Leistungen bei Pflegegrad 2 – Was steht Ihnen zu?
Mit Pflegegrad 2 erhalten Sie Zugang zu einer Vielzahl wertvoller Pflegeleistungen, die Ihre Selbstständigkeit fördern, Angehörige entlasten und den Alltag deutlich erleichtern können.
Überblick: Leistungen bei Pflegegrad 2
Mit Pflegegrad 2 gelten Sie als „in der Selbstständigkeit erheblich beeinträchtigt“. Das eröffnet Ihnen eine Vielzahl von Ansprüchen aus der Pflegeversicherung. Viele dieser Leistungen lassen sich flexibel kombinieren und gezielt auf Ihre individuelle Situation zuschneiden.
Leistung | Betrag / Umfang (2024) |
---|---|
Pflegegeld | 347 € monatlich |
Pflegesachleistungen | 761 € monatlich (ab 1. Juli: 831 €) |
Kombinationsleistung | anteilige Aufteilung möglich |
Entlastungsbetrag | 125 € monatlich |
Verhinderungspflege | 1.612 € jährlich (+ 806 € Aufstockung) |
Kurzzeitpflege | 1.774 € jährlich (+ Aufstockung mögl.) |
Tages- und Nachtpflege | 689 € monatlich (ab 1. Juli: 728 €) |
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch | bis 40 € monatlich |
Technische Pflegehilfsmittel | je nach Bedarf (Pflegebett etc.) |
Wohnraumanpassung | bis 4.000 € je Maßnahme |
Hausnotrufsystem | bis 25,50 € monatlich |
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) | bis 50 € monatlich |
Pflegeberatung & Kurse | kostenfrei |
Wohngruppenzuschuss | 214 € monatlich |
Stationäre Pflegezuschüsse | ab 770 € monatlich + Staffelung |
Pflegegeld: Direkte Unterstützung für häusliche Pflege
Wenn Sie von Angehörigen oder Freunden zu Hause gepflegt werden, steht Ihnen Pflegegeld in Höhe von 347 Euro pro Monat zu. Dieses Geld erhalten Sie zweckgebunden, aber ohne Nachweispflicht, und können es frei für die Pflege einsetzen. Damit das Pflegegeld weiterfließt, müssen Sie halbjährlich einen Beratungseinsatz nach § 37.3 SGB XI nachweisen.
Pflegesachleistungen: Professionelle Pflege zuhause
Mit Pflegegrad 2 haben Sie Anspruch auf Pflegesachleistungen im Wert von bis zu 761 € monatlich (ab Juli 2025: 831 €). Diese Leistungen fließen direkt an ambulante Pflegedienste, die pflegerische Tätigkeiten wie Körperpflege, Mobilisation oder Medikamentengabe übernehmen.
Kombinationsleistung: Pflegegeld + Sachleistung clever verbinden
Sie nutzen einen Pflegedienst, aber nicht das volle Sachleistungsbudget? Dann haben Sie Anspruch auf anteiliges Pflegegeld – abhängig vom ungenutzten Anteil.
Verhinderungspflege: Wenn Angehörige eine Auszeit brauchen
Fällt die Pflegeperson kurzfristig aus – wegen Krankheit, Urlaub oder Terminen – greift die Verhinderungspflege. Hierfür stehen Ihnen 1.612 € pro Jahr zur Verfügung, plus bis zu 806 € aus der Kurzzeitpflege, wenn diese nicht ausgeschöpft wurde. Die Dauer beträgt maximal 6 Wochen bzw. 42 Tage pro Kalenderjahr.
Kurzzeitpflege: Vorübergehende stationäre Unterstützung
Ist eine temporäre Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung notwendig (z. B. nach einem Krankenhausaufenthalt), zahlt die Pflegekasse bis zu 1.774 € jährlich für max. 8 Wochen. Auch hier kann ein Budgettransfer aus der Verhinderungspflege erfolgen.
Entlastungsbetrag: Zusätzliche Hilfe für Alltag und Haushalt
Der Entlastungsbetrag von 125 € pro Monat ist zweckgebunden und kann z. B. für folgende Leistungen genutzt werden:
- Haushaltshilfe (keine Grundpflege)
- Betreuungsangebote
- Angebote zur Unterstützung im Alltag (z. B. Besuchsdienste)
Leistungen müssen durch anerkannte Anbieter erfolgen und belegt werden.
Tages- und Nachtpflege: Ergänzende Betreuungseinrichtungen
Teilweise stationäre Pflegeformen wie Tages- oder Nachtpflege werden zusätzlich zum Pflegegeld gewährt: bis zu 689 € monatlich (ab Juli: 728 €). Diese Angebote entlasten pflegende Angehörige stundenweise und fördern soziale Teilhabe.
Pflegehilfsmittel & technische Hilfen: Alltag erleichtern
Mit Pflegegrad 2 haben Sie Anspruch auf:
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch (Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel etc.) im Wert von bis zu 40 € monatlich.
- Technische Pflegehilfsmittel wie Pflegebetten, Rollstühle oder Duschhilfen – bei ärztlicher Verordnung oft kostenfrei leihbar.
Hausnotruf: Sicherheit auf Knopfdruck
Leben Sie allein und können im Notfall nicht eigenständig telefonieren, übernimmt die Pflegeversicherung bis zu 25,50 € monatlich für ein anerkanntes Hausnotrufsystem.
Wohnraumanpassung: Barrierefreiheit schaffen
Ob Treppenlift, Haltegriffe oder Badumbau – die Pflegekasse bezuschusst bis zu 4.000 € je Maßnahme zur Verbesserung Ihres Wohnumfelds. Bei mehreren Pflegebedürftigen im Haushalt sogar bis zu 16.000 €. Vorab muss ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden.
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA): Apps mit Pflegewirkung
Digitale Lösungen wie Erinnerungs-Apps oder therapeutische Anwendungen können mit bis zu 50 € monatlich gefördert werden – sofern sie als DiPA zugelassen sind.
Wohngruppenzuschuss: Leben in Gemeinschaft
Wer in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, erhält 214 € monatlich zusätzlich – unabhängig davon, ob häusliche oder teilstationäre Pflege erfolgt.
Stationäre Pflege: Leistungen im Heim
Sollte die Pflege zuhause nicht mehr möglich sein, erhalten Sie im Pflegeheim mit Pflegegrad 2:
- 805 € monatlichen Leistungszuschuss
- Zuschläge auf den Eigenanteil – gestaffelt nach Aufenthaltsdauer
Pflegeberatung & Kurse: Wissen stärkt Pflegequalität
Mit Pflegegrad 2 haben Sie Anspruch auf:
- individuelle Pflegeberatung (§7a SGB XI) – kostenlos und flexibel
- Pflegekurse für Angehörige – von Körperpflege bis Kommunikation
- Pflegeunterstützungsgeld – für bis zu 10 Tage Verdienstausfall bei akutem Pflegebedarf
Fallbeispiel: Pflegegrad 2 im Alltag verstehen
Ein Pflegegrad ist mehr als nur eine Zahl – er verändert das tägliche Leben eines Menschen und seiner Angehörigen spürbar.
Der Alltag von Frau Keller mit Pflegegrad 2
Hintergrund: Frau Maria Keller ist 76 Jahre alt und lebt allein in ihrer Wohnung im 2. Stock eines Mehrfamilienhauses. Sie leidet seit einigen Jahren an Arthrose in Hüften und Knien. Zudem hat sie in letzter Zeit vermehrt Gleichgewichtsprobleme und scheut sich davor, allein das Haus zu verlassen. Seitdem zieht sie sich zunehmend zurück.
Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Frau Keller ist geistig vollkommen orientiert. Sie führt Telefonate, verwaltet ihre Finanzen und liest täglich Zeitung. Der Gutachter erkennt keine Einschränkungen in diesem Bereich. Bewertung: 0 Punkte
Modul 1: Mobilität
Das Treppensteigen fällt Frau Keller besonders schwer. Wegen Schmerzen und Unsicherheit nutzt sie für die Wohnungsinnentreppe ein Geländer. Die Außentreppe meidet sie inzwischen fast komplett. In der Wohnung bewegt sie sich langsam mit einem Gehstock. Bewertung: 8 Punkte (gewichteter Anteil: 10%)
Modul 4: Selbstversorgung
Das Duschen bereitet ihr erhebliche Schwierigkeiten. Sie kann sich nur im Sitzen waschen und benötigt Hilfe beim Haarewaschen und Ankleiden. Auch das Kochen fällt zunehmend schwer. Oft bereitet ihr ihre Tochter am Wochenende Gerichte vor, die sie dann nur noch erwärmen muss. Bewertung: 14 Punkte (gewichteter Anteil: 40%)
Modul 5: Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen
Frau Keller nimmt täglich mehrere Medikamente gegen Bluthochdruck, Arthrose und Schmerzen. Ihre Tochter stellt ihr einmal wöchentlich eine Medikamentenbox zusammen und erinnert sie telefonisch an die Einnahmen. Arzttermine nimmt Frau Keller nur noch in Begleitung wahr. Bewertung: 10 Punkte (gewichteter Anteil: 20%)
Modul 6: Gestaltung des Alltags & soziale Kontakte
Früher besuchte Frau Keller regelmäßig eine Seniorengruppe, heute meidet sie längere Ausflüge aus Angst zu stürzen. Die Teilnahme am sozialen Leben ist eingeschränkt, Kontakte bestehen fast nur noch telefonisch. Bewertung: 3 Punkte (gewichteter Anteil: 15%)
Modul 3: Psychische Problemlagen
Sie zeigt gelegentlich depressive Verstimmungen, vor allem wenn sie sich durch ihre körperlichen Einschränkungen überfordert fühlt. Ihre Tochter berichtet von gelegentlicher Niedergeschlagenheit, aber keine psychotischen Symptome. Bewertung: 2 Punkte (gewichteter Anteil: 15%)
Gesamtbewertung: Frau Keller erreicht eine gewichtete Gesamtpunktzahl von 33,75 Punkten – und erfüllt damit klar die Kriterien für Pflegegrad 2 (27 bis <47,5 Punkte).
Welche Leistungen nutzt Frau Keller konkret?
Mit dem Pflegegrad stehen Frau Keller verschiedene Leistungen zur Verfügung. Gemeinsam mit ihrer Tochter haben sie folgende Kombination gewählt:
- Pflegegeld: 347 € monatlich – zur Anerkennung der häuslichen Unterstützung durch die Tochter
- Entlastungsbetrag: 131 € monatlich – wird für eine anerkannte Haushaltshilfe eingesetzt, die 2x im Monat Reinigungsarbeiten übernimmt
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: Kostenfreie Lieferung über eine Pflegebox (z. B. Handschuhe, Desinfektionsmittel)
- Wohnumfeldverbesserung: Antrag auf einen Zuschuss für einen Treppenlift wurde gestellt (bis zu 4.180 € Förderung)
- Beratungseinsatz nach § 37.3 SGB XI: Halbjährlich zur Sicherstellung der Pflegequalität
Häufige Fragen rund um Pflegegrad 2
Was bedeutet Pflegegrad 2?
Pflegegrad 2 wird vergeben, wenn bei einer Person eine „erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ festgestellt wird. Dies entspricht einem Punktwert zwischen 27 und unter 47,5 Punkten im Pflegegutachten nach dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA).
Wie beantrage ich Pflegegrad 2?
Den Antrag stellen Sie direkt bei Ihrer Pflegekasse, meist über einen formlosen Brief oder Anruf. Danach beauftragt die Kasse den Medizinischen Dienst (MD) oder Medicproof mit einer Begutachtung.
Welche Leistungen stehen mir bei Pflegegrad 2 zu?
Mit Pflegegrad 2 stehen Ihnen folgende monatliche bzw. jährliche Leistungen zur Verfügung:
Leistung | Betrag |
---|---|
Pflegegeld (bei häuslicher Pflege) | 347 € / Monat |
Pflegesachleistungen | 796 € / Monat |
Kombinationsleistung | anteilig |
Verhinderungspflege | 1.685 € / Jahr |
Kurzzeitpflege | 1.854 € / Jahr |
Entlastungsbetrag | 125 € / Monat |
Tages-/Nachtpflege | 689 € / Monat (zusätzlich) |
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch | bis 40 € / Monat |
Wohnraumanpassung | bis 4.000 € je Maßnahme |
Hausnotruf | 25,50 € / Monat |
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) | bis 50 € / Monat |
Kann ich mit Pflegegrad 2 noch arbeiten?
Ja. Der Pflegegrad allein sagt nichts über Ihre Arbeitsfähigkeit aus. Viele Menschen mit PG2 sind berufstätig – oft in Teilzeit oder mit reduzierten Aufgabenbereichen. Es kommt auf Ihre individuelle Belastbarkeit an.
Darf ich mit Pflegegrad 2 noch Auto fahren?
Grundsätzlich ja, aber: Entscheidend ist, ob Sie sicher am Straßenverkehr teilnehmen können. Das hängt von Ihrem körperlichen und geistigen Zustand ab – nicht vom Pflegegrad selbst.
Wie viele Stunden Pflege entsprechen Pflegegrad 2?
Seit 2017 ist die Anzahl der Pflege-Stunden nicht mehr maßgeblich für die Einstufung in einen Pflegegrad. Stattdessen wird die Selbstständigkeit bewertet.
Muss ich einen Pflegedienst in Anspruch nehmen?
Nein. Sie haben die freie Wahl. Bei häuslicher Pflege durch Angehörige erhalten Sie Pflegegeld. Alternativ oder ergänzend können Sie einen ambulanten Pflegedienst über Pflegesachleistungen beauftragen – oder beides kombinieren.
Was sind Entlastungsleistungen?
Der Entlastungsbetrag von 125 € pro Monat dient dazu, pflegende Angehörige zu entlasten und die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen zu fördern. Er kann eingesetzt werden für:
- Unterstützung im Haushalt (z. B. Putzhilfe)
- Betreuung durch Alltagsbegleiter
- Tages- oder Nachtpflege
- Angebote zur Alltagsbegleitung nach Landesrecht
Der Betrag wird nicht bar ausgezahlt, sondern muss über anerkannte Anbieter abgerechnet werden.
Welche Hilfsmittel & Pflegehilfsmittel kann ich beantragen?
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch (z. B. Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel): Bis 40 €/Monat ohne Rezept, mit einfachem Antrag.
- Technische Pflegehilfsmittel (z. B. Pflegebett, Toilettenstuhl): Antrag über die Pflegekasse, oft mit ärztlicher Verordnung.
Hilfsmittel, wie Rollatoren oder Hörgeräte, laufen hingegen über die Krankenkasse.
Wie funktioniert die Förderung für einen Treppenlift?
Wenn ein Treppenlift benötigt wird, können Sie über die Pflegekasse eine Wohnumfeldverbesserung beantragen. Der Zuschuss beträgt bis zu 4.000 € pro Maßnahme, bei mehreren pflegebedürftigen Personen im Haushalt bis zu 16.000 €. Wichtig: Antrag vor Einbau stellen!
Was passiert, wenn sich mein Zustand verschlechtert?
Sie können jederzeit eine Höherstufung des Pflegegrads beantragen. Ein neues Gutachten bewertet dann erneut Ihre Selbstständigkeit.
Gibt es kostenlose Beratung?
Ja, und zwar mehrfach:
- Pflichtberatung nach §37.3 SGB XI bei Pflegegeldbezug (2× jährlich bei PG2)
- Pflegeberatung nach §7a SGB XI (freiwillig & umfassend)
- Pflegestützpunkte in Ihrer Nähe
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)
Pflegeberatung & Unterstützung für Angehörige
Pflegende Angehörige tragen oft die Hauptlast der Versorgung – emotional, zeitlich und organisatorisch. Doch sie sind nicht allein: Wer Pflegegrad 2 hat, profitiert von einer ganzen Reihe kostenloser Angebote, die Angehörige gezielt entlasten und unterstützen.
Pflegeberatung nach § 7a SGB XI – Ihre persönliche Anlaufstelle
Die Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI ist ein kostenfreies Angebot für alle Pflegebedürftigen mit anerkanntem Pflegegrad – und für deren Angehörige. Sie wird von Pflegekassen organisiert und dient dazu, die Versorgung optimal zu planen. Sie erhalten passgenaue Informationen zu Leistungen, Hilfsmitteln und regionalen Unterstützungsangeboten und Hilfe bei Anträgen.
Beratungseinsatz nach § 37.3 – Pflicht & Chance zugleich
Pflegen Sie einen Angehörigen selbst zu Hause und beziehen Pflegegeld? Dann ist der halbjährliche Beratungseinsatz nach § 37.3 SGB XI Pflicht – bei Pflegegrad 2 einmal alle sechs Monate. Professionelle Pflegekräfte prüfen, ob die häusliche Pflege sichergestellt ist und geben Tipps zur besseren Versorgung.
Pflegekurse für Angehörige – Wissen gibt Sicherheit
Pflegekurse für Angehörige vermitteln praxisnahes Wissen und Sicherheit im Umgang mit den täglichen Herausforderungen. Kursinhalte sind z.B. Körperpflege, Kommunikation mit Menschen mit Demenz oder rechtliche Fragen. Die Kosten werden zu 100 % von der Pflegekasse übernommen.
Pflegeunterstützungsgeld – Lohnersatz bei akutem Pflegefall
Ein plötzlicher Pflegefall in der Familie? Das Pflegeunterstützungsgeld springt in solchen Momenten als finanzieller Schutzschirm ein. Es ist eine Lohnersatzleistung bei kurzfristiger Arbeitsverhinderung (bis zu 10 Arbeitstage) und beträgt ca. 90 % des Nettogehalts.
Pflegezeit & Familienpflegezeit – Beruf & Pflege vereinbaren
Pflegende Angehörige sind oft berufstätig. Das Gesetz schafft dafür zwei wichtige Optionen:
Modell | Dauer | Finanzierung | Anspruch |
---|---|---|---|
Pflegezeit | bis 6 Monate | unbezahlte Freistellung | Ja, bei Unternehmen ab 15 MA |
Familienpflegezeit | bis 24 Monate | Teilzeitmodell (bis zu 15 Std./Woche) | Ja, ab 26 MA im Betrieb |
Für beide Modelle kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie beantragt werden.
Sozialversicherung für pflegende Angehörige
Pflegen Sie regelmäßig einen Angehörigen mit Pflegegrad 2 (mind. 10 Stunden/Woche an 2 Tagen)? Dann zahlt die Pflegekasse Beiträge in Ihre Renten-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.
Extra-Services & regionale Unterstützung
Neben den bundesweiten Regelungen gibt es vielfältige regionale Angebote, die oft übersehen werden:
- Pflege-Lotsen oder Demenznetzwerke
- Nachbarschaftshilfen
- Selbsthilfegruppen & Gesprächskreise
- Schulungen speziell für Demenz oder Palliativpflege